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Farbkultur Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Auf Farbe muss im Welterbe keiner verzichten!

Interview mit Malermeister Jürgen Geifes (Obermeister) – Die Fragen stellte Martina Koch

Mehr Sensibilität beim Bau im Mittelrheintal gefordert
Die Fahrt durch die beeindruckende Landschaft des Mittelrheintals bereitet Jürgen Geifes nicht immer nur Freude: Der Anblick kreischend bunter Fassaden und überdimensionaler Reklametafeln mitten im Unesco-Welterbe tut nicht nur dem Obermeister der Maler- und Lackiererinnung Mittelrhein-Mosel-Eifel in der Seele weh. Deswegen ergriff seine Innung vor vier Jahren die Initiative und wandte sich an die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz, um über die Farbkultur im Mittelrheintal zu beraten. Das Ergebnis war der Arbeitskreis Farbkultur. Mit unserer Zeitung sprach Geifes über die Ziele des Arbeitskreises und über dessen vor Kurzem präsentierten Leitfaden.
Was fällt Ihnen als Malermeister auf, wenn Sie durch das Mittelrheintal reisen?
Wir haben im Mittelrheintal zunächst viele Beispiele für eine hervorragend gepflegte alte Bausubstanz wie etwa im Zentrum von Oberwesel oder in Boppard rund um den Markt. Vielerorts ist es außerdem gut gelungen, moderne Gebäude in die historisch gewachsene Umgebung zu integrieren. Beispiele hierfür sind etwa die modernen Stadtvillen am Rheinhafen von Bingen.
Und die Kehrseite der Medaille?
Zunächst ist uns bei den Fahrten mit dem Arbeitskreis Farbkultur deutlich aufgefallen, dass die rechte Rheinseite ein stiefmütterliches Dasein fristet, da die touristische Infrastruktur nicht so ausgeprägt ist wie auf der linken Rheinseite. Hier gibt es einen großen Sanierungsbedarf. Aber auch an anderen Orten zerfällt das homogene Gesamtbild einer gewachsenen Kulturlandschaft durch übermäßig grell gestrichene Fassaden oder den falschen Umgang mit typischen Materialien. Wir müssen aufpassen, dass das Mittelrheintal nicht seinen eigenen Charakter verliert und zur Ramschbude verkommt.
Was sollten Bauherren und Hausbesitzer bei der Gestaltung ihrer Gebäude berücksichtigen?
Auf eine gewisse Farbigkeit der Fassaden soll niemand verzichten müssen, zumal es im Winter im Mittelrheintal recht neblig und grau ist. Bei der Farbauswahl ist aber Zurückhaltung angebracht – schon aus Rücksicht auf die Nachbarn, die durch den Anblick direkt betroffen sind. Mit den pastelligen Tönen aus dem von uns zusammengestellten Farbfächer lässt sich die berühmte romantische Atmosphäre des Mittelrheintals für die Zukunft bewahren. Außerdem raten wir vom Arbeitskreis Farbkultur zu traditionellen Materialien: Klassischerweise sind die Dächer im Mittelrheintal mit Schiefer gedeckt. Andersfarbige Werkstoffe stören die Harmonie des Landschaftsbilds erheblich.
Was haben Sie geplant, um die Malerbetriebe in der Region für den neuen Leitfarben Farbkultur zu sensibilisieren?
Mithilfe eines Sponsors können wir 15 000 der vom Arbeitskreis Farbkultur entwickelten Farbfächer an die Innungsbetriebe entlang des Mittelrheins verteilen. Diese dienen den Außendienstmitarbeitern als Beratungshilfe. Außerdem wollen wir den Leitfaden Farbkultur in den Rahmenlehrplan der berufsbildenden Schulen integrieren. Dadurch werden schon angehende Maler auf das Thema aufmerksam gemacht. Das Wissen über die historischen Baumaterialien und Farbigkeiten ist nämlich teilweise über die Zeit verloren gegangen.
Wie hoch stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass sich Hausbesitzer freiwillig für eine farbliche Umgestaltung entscheiden?
Wir haben damit gerechnet, dass es kontroverse Diskussionen geben wird und Hausbesitzer sagen: „Wir lassen uns die Farbe nicht verbieten“. Diese Formen der Meinungsbildung sind wichtig, da sie erst die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. Die Wahl einer bestimmten Fassadenfarbe folgt schließlich Moden: Klinkermauerwerk in wilden Farben zu übermalen, galt zum Beispiel in den 70er-Jahren als schön. Momentan geht der Trend wieder zu grelleren Tönen. Wir stehen da am Anfang eines langwierigen Prozesses. Am Ende würden alle von der Umsetzung des Farbkonzepts profitieren: Nur wenn der eigenständige Charakter dieser Kulturlandschaft gewahrt wird, bleibt sie für den Tourismus attraktiv.
Brauchen wir am Ende eine neue Gestaltungssatzung, die verbindlich vorschreibt, in welchen Tönen Gebäude im Mittelrheintal gestrichen werden dürfen?
Nein, das halte ich nicht für nötig. Wichtig ist aber, dass bestehende Vorschriften umgesetzt werden. Gemeinden müssen, wenn Bebauungspläne vorliegen, darauf hinweisen, dass sich die Fassaden im Sinne des Welterbestatus harmonisch in die Umgebung zu integrieren haben. Es gibt im Mittelrheintal eine Pflicht, den Welterbestatus zu schützen, deswegen gelten für Bauprojekte gesteigerte Anforderungen. Wenn die Gemeinden dies umsetzen, haben wir schon viel gewonnen.